Der erfolgreiche Weg des Felix Streng

  10.09.2021    HLV
Felix Streng ist einer der besten Para-Sprinter Deutschlands. Bei den Paralympics in Tokio gewann er kürzlich die Goldmedaille über 100 Meter und Silber über die 200-Meter-Distanz. Unter 29 gemeldeten Leichtathleten war Felix der einzige Starter aus Hessen. Der heute 26-Jährige hat Ende 2020 seinem langjährigen Verein Bayer Leverkusen den Rücken gekehrt und startet seither für das Sprintteam Wetzlar. Er trainiert mit seiner neuen Trainingsgruppe in London. Im exklusiven HLV-Interview spricht Felix über sein neues Umfeld, die vielschichtigen Aspekte der Veränderungen und sein Erlebnis Paralympics. Felix sollte am morgigen Samstag eigentlich bei der ersten Ausgabe des „HLV Scouting Days“, einem Aktionstag zur Sichtung junger Talente, als Special Guest dabei sein. Anfang dieser Woche wurde er allerdings zum Berliner Leichtathletik-Sportfest ISTAF eingeladen. Am Sonntag wird es anlässlich des 100. Geburtstags der Veranstaltung erstmals ein 100-Meter-Rennen für Para-Sprinter geben.

Felix, zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir so kurz nach den Paralympics Zeit für uns nimmst. Die hessische Leichtathletik-Familie ist stolz auf Dich und freut sich mit Dir. Montagabend bist Du aus Tokio zurückgekommen. Wie geht es Dir und wie sahen Deine letzten Tage aus?

Die vergangenen Tage war wirklich viel los. Da musste ich einige Interviews geben (lacht), aber das ist positiver Stress. Samstag war ja noch das 200-Meter-Finale und am Montag dann der Rückflug aus Tokio. Jetzt versuche ich erstmal etwas runter zu kommen von diesem Aktivierungslevel.

Wie hast Du die Zeit bei den Paralympics erlebt?

Grundsätzlich bin ich sehr dankbar, dass die Spiele überhaupt stattgefunden haben. Das war für die Entwicklung des paralympischen Sports sehr wichtig. Von den Japanern bin ich begeistert, die waren so freundlich, hilfsbereit und begeisterungsfähig, trotz der schwierigen Situation. Natürlich war Corona das dominante Thema, besonders vor der Anreise. Im paralympischen Dorf selbst war alles hervorragend strukturiert. Klar, wir hätten gerne alle unsere Wettkämpe vor jubelnden Zuschauern ausgetragen, aber das war nicht möglich. Noch wichtiger war es, sich auf den Punkt hin zu konzentrieren und seine Leistung abzurufen.

Seit Ende 2020 trainierst Du in England, bist weg aus Leverkusen und raus aus Deiner Komfortzone. Du hast ein neues Umfeld, einen neuen Trainer, neue Trainingsreize, rennst neuerdings mit einer Prothese mit neuem Härtegrad. Und alles das nicht einmal ein Jahr vor den Paralympics. Da bist Du ganz schön ins Risiko gegangen, oder war genau das der nötige Schritt zum Erfolg?

Ich habe die Corona-Zeit genutzt, um zu reflektieren, wo ich hin will. Mitte 2020 war klar, ich möchte mich verändern, möchte neuen Input, möchte einen neuen Weg gehen. Viele Leute haben mich für verrückt gehalten, besonders weil es nach England gehen sollte. Aber ich habe gespürt, dass in mir noch mehr Potenzial steckt und eine Veränderung neue Energie freisetzen wird.

Und der Erfolg hat Dir recht gegeben.

Auf jeden Fall. Dabei stand ich vor großen Herausforderungen, besonders organisatorischer Natur in der Corona-Zeit. Gemeinsam mit meinem neuen Team habe ich dann in London sehr hart gearbeitet und das ganze System auf den Kopf gestellt. Wir haben uns mit neuen Fragestellungen beschäftigt, beispielsweise die Bereiche Regeneration, Physiotherapie, Osteopathie und Krafttraining neu aufgestellt. Die schnellen positiven Resultate haben mir und dem Team Rückenwind gegeben. Ich kann also sagen, der individuelle Weg hat bei mir zum Erfolg geführt.

Welche Rolle spielt Dein neuer Verein, das Sprintteam Wetzlar, für Deine Entwicklung?

Sie haben mich ganz herzlich am Flughafen empfangen, das hat mich sehr gefreut. Es ist ein junger, moderner Verein mit frischen Ideen. Die Verknüpfung von internationalem Sport und Training mit der Basis in Deutschland finde ich klasse. Das hat perfekt in mein Konzept gepasst. Ich identifiziere mich damit.

Am morgigen Samstag findet der erste HLV Scouting Day für Elf- bis Vierzehnjährige in Frankfurt statt. Da werden Talente für die Leichtathletik gesucht, die Olympioniken von morgen. Auch wenn du nun „leider“ nicht dabei sein kannst, was erwartest Du von diesem Tag?

Ganz einfach, dass die Jungs und Mädchen Spaß haben. Gerade in dem Alter sollte man verschiedene Bewegungserfahrungen sammeln, sich nicht zu früh auf spezifische Bewegungsabläufe festlegen. Ich denke, da ist der Scouting Day genau das Richtige.

Welche Tipps kannst Du einem/einer 13-Jährigen geben?

Zunächst einmal, dass Sport Leben ist. Man lernt viel über sich selbst und das soziale Zusammenleben. Wie tickt der eigene Körper, wie funktioniert das Training in der Gruppe, wie gehe ich mental mit Drucksituationen im Wettkampf um? Mit allen diesen Dingen wird man sich beschäftigen. Das nenne ich Horizonterweiterung.

Es werden auch Jugendliche mit Handicap dabei sein. Was möchtest Du denen mit auf den Weg geben?

Sie sollen sich nicht unterkriegen lassen. Probiert viel aus und holt euch dadurch Selbstvertrauen. Ihr solltet rauskommen aus eurer Komfortzone und euren eigenen Weg finden. Ihr werdet mehr Anläufe benötigen als andere, aber gebt niemals auf.

Felix, besten Dank für das spannende Interview und alles Gute für Deinen weitere Weg.

 

erstellt von Björn Günther